Invalidenrente

DAS MÜSSEN SIE ÜBER DIE INVALIDENRENTE WISSEN!

Ein Ziel der IV: Versicherte mit gesundheitlichen Einschränkungen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

 

1. Wer erhält Leistungen der Invalidenversicherung?

Jeder, der in der Schweiz wohnt oder arbeitet – egal ob Schweizer oder Ausländer – ist obligatorisch bei der IV versichert, genau wie bei der AHV. Allerdings gilt grundsätzlich: Nur wer mindestens drei Beitragsjahre aufweisen kann, hat Anspruch auf eine ordentliche IVRente. Für andere Leistungen (z.B. berufliche Eingliederungsmassnahmen) können auch 12 Monate genügen.

 

2. Wie berechnet sich die Höhe der IVRente?

Die Höhe der Rente hängt von drei Kriterien ab:
IVGrad: Ihre Rente ist zunächst nach Ihrem Invaliditätsgrad abgestuft.
Dabei gilt:
Invaliditätsgrad ab 40 % = Viertelsrente
Invaliditätsgrad ab 50 % = Halbe Rente
Invaliditätsgrad ab 60 % = Dreiviertelsrente
Invaliditätsgrad ab 70 % = Ganze Rente

 

3. Wie berechnet sich der IVGrad?

Beispiel:
Eine Führungskraft verdient 190’000 Franken pro Jahr. Aufgrund chronischer Rückenbeschwerden ist es ihm nicht mehr möglich, seinen Beruf auszuüben. Trotzdem kann er weiterhin arbeiten, indem er angehende Mitarbeiter schult. Allerdings sinkt sein Einkommen dadurch auf 90’000 Franken pro Jahr. Die IV vergleicht nun sein mögliches Einkommen ohne gesundheitliche Einschränkungen (190’000 Franken) mit jenem, welches er unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung erzielen kann (90’000 Franken). Die Führungskraft erleidet durch die Rückenschmerzen also eine Einkommenseinbusse von knapp 53 Prozent, was gleichzeitig seinem IVGrad entspricht. Somit erhält er eine halbe Rente. Je nach Höhe Ihres versicherten Verdienstes beträgt eine ganze Rente (ohne Beitragslücken) dann zwischen 1175 und 2370 Franken.
Eine Dreiviertelsrente liegt zwischen 882 und 1763 Franken, eine halbe Rente zwischen 588 und 1175 Franken und für eine Viertelsrente werden noch 294 bis 588 Franken ausgezahlt.

4. Beitragsdauer:

Ab dem 1. Januar nach dem 20. Geburtstag muss jeder – egal ob erwerbstätig oder nicht – IVBeiträge leisten. Für Erwerbstätige gilt das schon nach dem 17. Geburtstag. Die entscheidende Frage ist aber, ob Sie seit Ihrem 20. Geburtstag lückenlos Beiträge eingezahlt haben. Falls nicht, entstehen Beitragslücken und eine tiefere Rente droht. Allerdings prüft die IV in solchen Fällen noch mögliche Beitragszahlungen ab dem 17. Geburtstag, die spätere Lücken ausgleichen können.

 

5. Beitragshöhe:

Von der Höhe Ihres sogenannten versicherten Verdienstes hängt die Höhe Ihrer ausgezahlten Rente ab. Der versicherte Verdienst ist – vereinfacht gesagt – der Lohn, von dem IVBeiträge abgezogen werden.

 

6. Wer kann den IV-Antrag stellen?

Sie selber können den Antrag bei Ihrer kantonalen IV-Stelle einreichen. Allerdings ist auch Ihr Arbeitgeber, Ihre Krankenkasse, ein Familienmitglied oder eine andere Person, die Sie regelmässig unterstützt, dazu berechtigt.

 

7. Der Arzt bezweifelt, dass ich arbeitsfähig bin. Habe ich jetzt Anspruch auf eine Rente?

Ganz so einfach ist es nicht. Die IV prüft genau, ob eine IVRente gerechtfertigt ist oder nicht. Dazu gibt sie entweder ein Gutachten in Auftrag oder entscheidet anhand von vorhandenen Arztberichten sowie Berichten von Arbeitgebern und Therapeuten. Die IV darf Entscheide rein nach Aktenlage treffen, ohne den Versicherten auch nur einmal zu Gesicht zu bekommen.

 

8. Wann ist eine Anmeldung bei der IV sinnvoll?

Melden Sie sich lieber früher als später an. Falls Sie längerfristig ganz oder teilweise arbeitsunfähig sind, wird Ihr Krankentaggeld oder Unfallversicherer Sie spätestens nach sechs Monaten auffordern, sich bei der IV anzumelden. Oft bitten diese Sie aber auch schon nach 30 Tagen, sich bei der IV für Abklärungen zur Durchführung von Frühinterventionen zu melden. Eine frühe IVAnmeldung ist auch dann sinnvoll, wenn eine dauerhafte Invalidität noch gar nicht sicher ist. Denken Sie daran, mit der Anmeldung startet ein langwieriges Abklärungsverfahren, welches Zeit beansprucht.

 

9. Wann bekomme ich nach der IV-Anmeldung meine erste Rente?

Schwierig zu sagen. Sicher ist: Nach der IVAnmeldung dauert es mindestens 6 Monate, bis Sie die erste Rente erhalten. Zudem muss Ihre Arbeitsunfähigkeit mindestens ein ganzes Jahr angedauert haben. Allerdings zeigt die Praxis, dass IV-Verfahren mehrere Jahre dauern können und damit auch die Auszahlung der ersten Rente.
Immerhin gilt: Egal wie lange das Verfahren andauert, die Rente wird (bei positivem Bescheid) rückwirkend ab 6 Monate nach Antragsstellung oder nach Ablauf der Wartezeit ausgezahlt.

 

10. Darf ich als IV-Rentenbezüger nebenbei noch arbeiten?

Auf jeden Fall. Es ist sogar Sinn und Zweck der IV, dass Sie weiterarbeiten. Die Höhe der IVRente wird eben danach bestimmt, ob und wie viel Arbeit Ihnen trotz Invalidität zugemutet werden kann. Selbst eine ganze Rente schliesst ein eigenes Einkommen nicht aus, da diese bereits ab einem IVGrad von 70 Prozent gezahlt wird.
Ob Sie noch ein zusätzliches Einkommen erwirtschaften dürfen und wenn ja, bei welcher Tätigkeit und in welcher Höhe, steht in Ihrer Rentenverfügung, die Sie nach Ihrem IV-Entscheid bekommen haben. Dies bezeichnet man als Valides Einkommen, einen Beitrag dazu, zu einem späteren Zeitpunkt.

 

11. Was passiert mit meinem Privatvermögen, wenn ich eine IVRente beziehe?

Nichts. Die IV-Rente wird einkommens- und vermögensunabhängig ausgezahlt.

 

12. Neben der Rente: Welche anderen Leistungen bietet die IV?

Vor allem sogenannte Eingliederungsmassnahmen. Bevor eine Rente ausbezahlt wird, prüft die IV, ob der Versicherte auf andere Art und Weise unterstützt werden kann. Beispielsweise durch Umschulungskurse oder Hilfsmittel wie Hörgeräte. Ziel dabei ist die berufliche und soziale Integration des IV-Versicherten. Zudem gibt es die Hilflosenentschädigung und den Assistenzbeitrag, die behinderte Menschen finanziell unterstützen, wenn sie in bestimmten Bereichen auf regelmässige Hilfe Dritter angewiesen sind.

 

13. Kann mir die IV eine Therapie vorschreiben, ohne deren Kosten zu übernehmen?

Allerdings. Um IV-Leistungen zu beziehen, kann die IV von Ihnen verlangen, sich einer Therapie zu unterziehen, wenn diese dabei hilft, Ihre Gesundheit zu stabilisieren oder zu verbessern. Ziel ist es, Sie besser sozial und beruflich integrieren zu können. Allerdings muss die Therapie für Sie zweckmässig, verhältnismässig und zumutbar sein. Allgemein gilt: Die IV kann Sie nicht zur Durchführung einer Therapie zwingen. Sie kann allerdings die Leistungen kürzen oder verweigern, wenn Sie die vorgeschlagene Behandlung ablehnen.

 

14. Bin ich weiterhin bei der IV versichert, wenn ich ins Ausland ziehe?

Hier kann es kompliziert werden. Viele Fragen sind in Staatsverträgen und bilateralen Abkommen mit der EU über die Personenfreizügigkeit geregelt. Allgemein kann man aber festhalten: Schickt Ihr Arbeitgeber Sie temporär ins Ausland, sind Sie in der Regel vorerst weiter versichert. Wenn Sie ins EU/EFTA-Ausland ziehen und bei einer ansässigen Firma arbeiten, sind Sie im jeweiligen Sozialversicherungssystem versichert. Wenn Sie ausserhalb der EU/EFTA wohnen und arbeiten, können Sie sich freiwillig bei der AHV/IV versichern.

 

15. Was passiert mit meiner IVRente, wenn ich ins Ausland ziehe?

In den meisten Fällen bleibt Ihr Rentenanspruch bestehen. Für (ordentliche) halbe bis ganze Renten gilt: Wenn Sie Schweizer oder EU/EFTA Bürger sind, erhalten Sie weiterhin Ihre IVRente, egal wo sich Ihr neuer Wohnsitz befindet. Dies gilt auch für Angehörige einiger Staaten, mit denen die Schweiz ein Sozialversicherungsabkommen hat. Für alle anderen entfällt der Leistungsanspruch im Ausland.
Für (ordentliche) Viertelsrenten gelten strengere Regeln: Als Schweizer bleibt Ihr Rentenanspruch nur in EU- und EFTA-Staaten erhalten, als EU-Bürger lediglich in EU-Staaten und als EFTA-Bürger ausschliesslich in EFTA-Staaten. Für Angehörige anderer Staaten entfällt der Rentenanspruch überall im Ausland.
Übrigens ändert sich bei einem Wegzug ins Ausland nichts an der regelmässigen Überprüfung Ihres Rentenanspruches. Dabei werden keine Unterschiede gemacht, ob der IV-Bezüger in der Schweiz oder im Ausland lebt.

 

16. Informiert die Invalidenversicherung meine Pensionskasse über den Anspruch auf eine Rente?

Grundsätzlich schon. Sie müssen bei der IVAnmeldung Ihre Pensionskasse angeben. Die Invalidenversicherung schickt dann alle relevanten Entscheide in Kopie auch an Ihre Vorsorgeeinrichtung. Diese ist übrigens dazu berechtigt, gegen wichtige Entscheide der Invalidenversicherung einen Einwand oder eine Beschwerde beim Gericht einzulegen. Wenn die Pensionskasse dies nicht tut, muss sie sich an den Rentenentscheid der Invalidenversicherung halten.

 

17. Mein Antrag auf IVRente wurde abgelehnt, was jetzt?

Nicht aufgeben!
Es lohnt sich, bei einer Absage nicht sofort einzuknicken. Sie haben nun folgende Möglichkeiten:

1. Schritt: Sie haben 30 Tage Zeit, Einwände vorzubringen. Diese stellen Sie schriftlich Ihrer IV-Stelle zu. Überlegen Sie sich, ob Sie sich bereits hier juristisch beraten lassen wollen. Beratungsstellen, an die Sie sich wenden können, finden Sie am Schluss.

2. Schritt: Wenn die IV Ihre Einwände nicht akzeptiert, bleibt Ihnen eine Beschwerde beim kantonalen Versicherungsgericht. Auch hierfür haben Sie 30 Tage Zeit. Aber Achtung: Wenn Sie unterliegen, tragen Sie die Kosten des Gerichtsverfahrens selbst.
Diese belaufen sich auf 200 bis 1000 Franken. Spätestens jetzt empfiehlt sich eine professionelle Rechtsberatung. Laut Gesetz Allgemein gilt: Wenn Sie im kantonalen oder bundesgerichtlichen Verfahren verlieren, muss der IV keine Parteientschädigung bezahlt werden. Wenn Sie hingegen gewinnen und einen Anwalt engagiert haben, ist die Invalidenversicherung verpflichtet, die Gerichtskosten und eine Parteientschädigung zu bezahlen, haben bedürftige IV-Versicherte Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.

3. Schritt: Gibt auch das kantonale Versicherungsgericht Ihnen einen negativen Bescheid, bleibt Ihnen noch der Gang zum Bundesgericht. Auch hier fallen Gerichtskosten zwischen 200 und 1000 Franken an.

 

18. Invalidenrente oder Sozialhilfe – womit fahre ich besser?

Mit der Invalidenrente. Als IV-Bezüger haben Sie Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Die Anspruchsvoraussetzungen und die Leistungshöhe sind klar definiert und Sie müssen sich nicht dauernd rechtfertigen.

 

19. Was passiert, wenn ich das AHV-Alter erreiche?

Wenn Sie das Rentenalter erreichen, endet die Auszahlung der IVRente und Sie erhalten fortan die AHV-Rente, wie alle anderen auch. Die AHV-Rente bleibt dabei mindestens gleich hoch wie die IV-Rente (Besitzstandsregelung). Dasselbe gilt übrigens auch für die Höhe der Hilflosenentschädigung oder den Anspruch auf Hilfsmittel für den nichterwerblichen Bereich. Aufbau der drei Säulen der schweizerischen Altersvorsorge.

 

20. Wie funktioniert das schweizerische Vorsorgesystem?

Buchtipp: IV – Was steht mir zu?
Wer sich neu und unerwartet mit dem Thema Invalidität auseinandersetzen muss, ist ganz besonders auf umfassende und verlässliche Informationen angewiesen. Dieser Beobachter-Ratgeber bietet beste Orientierung in einer völlig neuen und schwierigen Lebenssituation.

IV-Ausweis: Mehr als ein Versichertenausweis

Wie die meisten Versicherungsgesellschaften stellt auch die AHV/IV einen Versichertenausweis aus. Seit 1996 bestätigen die IV-Stellen auch den Bezug einer IV-Rente mittels eines IV-Ausweises, dessen Abgabe obligatorisch ist und von Amtes wegen automatisch mit der Zustellung der Verfügung an die Versicherten erfolgt. Seit Mai 2015 wiederum bestätigen die IV-Stellen überdies den Bezug einer Hilflosenentschädigung für Minderjährige und Erwachsene auf Wunsch der Versicherten oder ihrer gesetzlichen Vertreterinnen oder Vertreter. Der Ausweis für die Hilflosenentschädigung wird aus Spargründen nicht automatisch verschickt, sondern muss bei den zuständigen kantonalen IV-Stellen bestellt werden – als offizielle Bescheinigung einer Beeinträchtigung gemäss dem Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG).
Für Versicherte, die nur eine Hilfslosenentschädigung beziehen, lohnt es sich, den Ausweis zu bestellen: Der IV-Ausweis im Kreditkartenformat wird von zahlreichen Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltern anerkannt und berechtigt zu Ermässigungen oder ergänzenden Dienstleistungen. Im öffentlichen Verkehr ermöglicht der Ausweis den Bezug eines GA für Reisende mit Handicap zum ermässigten Preis von 2’480 Franken (Jahreszahlung) statt 3’860 Franken. Anspruchsberechtigt ist, wer eine laufende IV-Rente, eine Hilfslosenentschädigung (HLE) oder Leistungen für einen Blindenführhund bezieht.

Meldestelle für Opfer der IV-Willkür
Wurden Sie Opfer von schludrigen IV-Gutachten? Haben Sie das Gefühl, sie wurden im Abklärungsgespräch nicht ernstgenommen? Oder dass der Gutachter fachlich nicht korrekt gearbeitet hat? Hat der Gutachter ihre Arbeitsfähigkeit deutlich höher eingeschätzt als Ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte? Sie sind nicht die Einzige/der Einzige. Zahlreiche Fälle von Willkür bei den IV-Gutachten wurden in den vergangenen Wochen publik.

Inclusion Handicap vermutet, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist und hat eine Meldestelle für Opfer der IV-Willkür aufgeschaltet. Inclusion Handicap ermuntert alle Versicherten, die an einem Gutachtergespräch im Rahmen der IV-Abklärungen teilgenommen haben, deren Rechtsvertreterinnen und -vertreter sowie behandelnde Ärztinnen und Ärzte, das Formular auszufüllen. Die Angaben werden vertraulich behandelt.

Weiter zur Meldestelle ⇒

BEITRAG von HEHÖ und Bith 
- Aktualisiert am 29. Februar 2020
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